Die Stockholmer Olympiade ist eben beendet, schon richten sich die Augen auf die nächsten Olympischen Spiele 1916 in Berlin. Deutschland hat ein erhebliches Interesse daran, bei dieser ersten in Deutschland stattfindenden Olympiade möglichst günstig abzuschneiden. Nicht nur was die äußeren Eindrücke anbelangt, sondern auch und gerade was die sportlichen Erfolge betrifft.
Schon regt es sich im Auslande. Zwei begeisterte Anhänger des Sportes, Axel und Helge Johnson haben in Schweden dem Kronprinzen ihres Landes 60.000 Kronen für sportliche Belange zur Verfügung gestellt. In England, dem Mutterlande des Sportes, fordert der bekannte Schriftsteller Conan Doyle in der Times zur Gründung einer besonderen Sportkommission auf, die schon jetzt ihr Augenmerk auf die Ausbildung der Sportleute für Berlin richten soll. Und Amerika? Dort spricht die Gegenwart für die Zukunft. Ein begeisterter Anhänger des Sportes hatte dort für die Überfahrt der Sportleute nach Stockholm bereits ein Schiff gechartert, das jegliche Übungsgelegenheiten enthielt und dem Mäcen die hübsche Summe von 5.600.000 Mark kostete. Stolz konnte der amerikanische Vertreter sagen: „Bei uns ist Sport eine nationale Sache und Geld dafür immer zu haben.“
In Deutschland aber, wo die Turnkunst eben auf eine hundertjährige Geschichte zurück- blicken konnte, da waren die einzelnen Sporttreibenden Organisationen fast auf sich allein gestellt. Der geringe Zuschuss des Reichsausschusses für die olympischen Spiele, kann kaum in Betracht kommen. Musste doch jede Sportorganisationen 10.000 Mark zuschießen. In Deutschland hat sich die Meinung durchgesetzt, dass unser Abschneiden in Stockholm durchaus zufriedenstellend ausgefallen ist. Vergleiche allerdings mit den Leistungen der Angelsachsen müssen uns klarmachen, dass uns diese um Jahrzehnte voraus sind. Sie haben rechtzeitig den gesellschaftlichen Wert des Sports erkannt und frühzeitig herausgefühlt, dass er einst im friedlichen Wettkampf der Völker eine bedeutende Rolle spielen wird. Und diese Rolle, darüber brauchen wir uns keiner Täuschung hinzugeben, von Jahr zu Jahr bedeutungsvoller sein wird.
Zweifellos kann die Gipfelleistung eines Einzelnen nie der Maßstab für die körperliche Leistungsfähigkeit eines Volkes sein. Aber wenn, wie die Amerikaner in Stockholm eine ganze Reihe von Spitzenleistungen zeigten, so muss man wohl davon ausgehen, dass dort auch die Durchschnittsleistung weit über dem der anderen Völker steht. Auch auf den Gebieten der drahtlosen Telegraphie und der lenkbaren Luftschiffe zeigt sich ein deutlicher Vorsprung, während wir uns hier in der uns eigenen Gemütsruhe aus dem Zeitalter der Postkutschen und der Gaslampen gerade in die Elektrizität gerettet haben.
Glücklicherweise beginnt man nun auch hier den Sport als Grundzug unserer Jugenderziehung zu begreifen.
Quelle: HSV-Archiv
Zusammenstellung: HSV-Seniorenrat
HSV-
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